From here to now and back again

Boom, also bin ich
Philip Grözingers Ausstellung „From here to now and back again“
Schwarz ist eine grelle Farbe, die lodert und brennt und von einem Feuer
erzählt, das war. Schwarz ist eine Explosion der Stille, aus der die Welt ihren
Lärm gebiert. Schwarz ist die Ahnung, bevor sie Gefahr wird.
Es ist der Freitag nach dem Brexit, und die Stimmung ist fatalistisch
ausgelassen, wie meistens dieser Tage. Philip lacht, weil er nicht weinen will.
Wie es so weit kommen konnte? Was das alles bedeutet? Das Weltenende,
oder doch Schlimmeres? Sind es also Dystopien, die Philip Grözinger malt?
Wir reden über „Dark Star“, den ersten Film von John Carpenter, der 1974 in
die Kinos kam für Philip so wichtig ist. Mich interessiert gerade wieder ganz
groß das Scheitern, sagt Philip, das Scheitern von Ideen, das Scheitern von
Vorstellungen, das Scheitern von Existenzen. Stanley Kubrick, das war
Großkunst, das war Meisterreflexion, das war Heldenkino für eine Zeit ohne
Helden. John Carpenter, das war der philosophische Scherz zu Kubricks
Space Odyssee. Er nahm Platons Höhlengleichnis und jagte es durch den
Teilchenbeschleuniger, den er in seinem Kinderzimmer nachgebaut hatte; das
Ergebnis: Es gibt uns nicht, wir müssen uns erst vernichten, um zu entstehen.
„Dark Star“, dass ist Descartes, durch einen Trashfilm erklärt: Boom, also bin
ich, wie Philip sagt, der angenehm politisch und schnell ist im Kopf. Die
gegenwärtige Form also von #cogitoergosum, weil die Gewalt real ist, und die
Realität manchmal erst durch Gewalt zur Geltung kommt. Im Film, sagt Philip,
geht es darum, dass die Weltraumrowdies des 22. Jahrhunderts einer Bombe
erklären, wenn ich es richtig verstanden habe, dass sie allein ist im
Universum, und die Bombe schließt daraus, dass sie erst explodieren muss,
damit die Welt – oder: alles andere – existiert. Was ist denn Realismus in
unserer Zeit? Das Seltsame ist ja, sagt Philip, dass er sich gar nicht so sehr
geändert hat und auch seine Kunst nicht – aber die Zeit, die um die Kunst
herum ist, die hat sich so sehr geändert, dass der Comic, die Farce, die
Dystopie der Wirklichkeit am nächsten kommen.
Was heißt das aber für From Here to Now and Back Again, so ist ja der Titel
der Ausstellung? Vor einem Jahr klang das vielleicht noch nach einer coolen
Pop-Referenz oder nach Selbstbezüglichkeit, der Lieblingsbeschäftigung aller
Kinder der Neunziger, in Referenz-Gewittern, hätten sie damals gesagt, weil
auch Ernst Jünger nur ein Spaß war? Die Vergangenheit, die mal die Zukunft
sein sollte, holt einen in Gestalt der Gegenwart wieder ein. Irgendwie kommt
alles gerade wieder zurück, so scheint es – alles, was früher lustig war, ist
heute verrückt und böse; alles, was früher einfach war, ist heute feindselig;
alles, was einmal ein Zitat war von etwas, das es gab, ist heute die
Wirklichkeit zu einer Welt, die irreal ist. Wenn man wissen will, was wird, sollte
man vielleicht besser zurückschauen und in dem Müllhaufen kramen, auf dem
die verbrauchten Utopien lagern, Schrott, der strahlt, Endstufen, radioaktiv
und gefährlich. Und so leuchten sie, die Bilder, sie strahlen aus dem Schwarz
heraus, sie sind giftig, toxisch, wo sie doch nur lustig, anspielungsreich und
verzweifelt sein sollten.
Das Siebeneck etwa, das es nicht zum Achteck geschafft hat, mit dem
Farbspektrum, das etwas anderes abbildet als die Welt der Physik, verbunden
durch dünne Tentakeln, die aus dem Bild führen, ein Knall ist zu hören, der
Einschlag ist zu spüren, und doch ist alles ruhig, denn wir sind unter Wasser,
wir sind im Weltall, wir sind weit weg, wir sind unter uns. Wir, die
Höhlenbewohner, wir, inmitten des Schwarz unserer Zeit, wir, die dachten, wir
hätten das alles hinter uns gelassen, das war doch der Deal der Neunziger,
als alle auf einmal Geld hatten, als es diese Siegesgewissheit gab, die
manche Amnesie nennen, als einen der Sog nach oben zog – und plötzlich ist
alles wieder da, der Rassismus, der Nationalismus, und Philip Grözinger
nimmt das auf eine sehr besondere Art persönlich.
Er ist ein Schlachtenmaler, der selbst verletzt wurde. Er sieht die Niederlagen
der Moderne, die Kränkungen der Zukunft, die Gefahr der Vergangenheit, und
formt daraus ein Fries. Da ist Yul Brynner aus „Westworld“, noch ein Film aus
den Siebzigern, der Freizeitpark, der darin die Welt geworden ist, fordert den
Terror geradezu heraus. Es geht zurück auf Stanislaw Lem, sagt Philip, die
gute Zeit des Science-Fiction, als alle noch an eine Zukunft geglaubt haben,
deshalb interessiert mich der amerikanische Pop: Kennedy, die Mondlandung
– und dann kippt das radikal, durch Nixon und durch den Vietnam Krieg und
die Krisen.
Philip malt tatsächlich an Filmen entlang, in „Dark Star“ gibt es eine noch
reale Welt, in „Matrix“ gibt es keine reale Welt mehr, der Schritt über die
Jahrtausendwende. Sie reichen gleichzeitig weit zurück und strecken sich
weit nach vorne, diese Bilder, sie leben aus dieser Spannung, sie erzählen
von dem Moment, als alles begann oder als alles endet – und die Frage ist,
für den Betrachter, wenn man will, was der Unterschied wohl ist.
Es gibt eine Figur, die alle Bilder zu durchschreiten scheint, sie wechselt Form
und Gestalt, sie ist in dem rosafarbenen Gummimann und in dem
Regenbogen aus Yul Brynners Pistole, sie sorgt dafür, dass das Alter der
Welt in diesen Bildern ist, selbst wenn sie von der Zukunft erzählen, aber die
ist ja selbst, wie gesagt, Vorgeschichte. In gewisser Weise spiegeln die Bilder
auch eine Reise, die Philip gemacht hat, die viele von uns gemacht haben,
die in den Neunzigern anfingen. Es ist eine Inversion: Die Phantasien, die
Grözingers Bilder damals bevölkerten, waren Phantasien in einer Zeit der
liberalen Freihändigkeit. Heute richten sich die autoritären politischen
Systeme ihre Konflikträume mit Phantasien ein. Post-truth, so nennt man das.
Was bedeutet das für die Kunst? Walter Benjamin, glaube ich, nannte das in
anderem Zusammenhang die Ästhetisierung der Politik, es ist Faschismus.
Was machte also der Künstler in den Neunziger? Damals, sagt Philip, war
Watte um alles. Damals konnte man wild und gefährlich sein. Was macht er
heute, dieser Stellvertreter im bourgeoisen Wohlfühlland? Heute sind die
anderen wild, sagt Philip, und ich bin ein romantischer Maler.
(Auszug aus dem Katalogtext von Georg Diez)